Der Baulückenbau in Berlin
Anwaltlicher Rat bei der Bebauung von Baulücken im innerstädtischen Bereich
Baulücken in Berlin. Die Ausgangslage.
In Berlin herrscht Wohnungsmangel. Der städtische Raum ist begrenzt. Die Nachfrage nach bezahlbaren Wohnraum ist größer als das Angebot. Nach einer Schätzung der FDP Fraktion aus dem Jahr 2019 könnte in Berliner Baulücken Platz für über 160.000 Wohnungen geschaffen werden. Ein systematisches Kataster zur Erfassung der Baulücken wurde angedacht. Ob das Baulückenprojekt allerdings die Lösung für die Schaffung von bezahlbaren Wohnraum darstellt, bleibt allerdings fraglich. Zu bedenken sind die Risiken, die mit der Baulückenbebauung einhergehen. Bereits bei der Planung des Immobilienprojektes sind auch nachbarrechtliche Interessen zu berücksichtigen, die oftmals verkannt werden und zu Bauverzögerungen führen können. Gleiches gilt für die Ausführung des Bauprojektes, da insbesondere bei der Unterfangung von Nachbargebäuden zum Teil aufwändige Tiefbauarbeiten notwendig sind.
Nachbarrechtliche Aspekte des Baulückenbaus. Das Berliner Nachbarrechtsgesetz.
Die klassische Baulücke im Altbaubestand ist dadurch gekennzeichnet, dass bereits zwei, meist ältere Gebäude, vorhanden sind, die die Grenzen der Baulückenbebauung vorgeben. Planern und Bauträger sollte fundierte Kenntnisse von den Regelungen des Berliner Nachbarrechtsgesetzes haben, um ein erfolgreiches Projekt zu realisieren. Im Berliner Nachbarrechtsgesetz vom 28.09.1973 sind für den Baulückenbau folgende wichtige Regelungen enthalten:
- Nachbarwand §§ 4-13
- Grenzwand §§ 14-16
- Hammerschlags-und Leiterrecht § 17
- Höherführen von Schornsteinen, Lüftungsleitungen und Antennenanlagen § 19
- Bodenerhöhungen § 20
Darf ich als Eigentümer einer Baulücke an die Bestandsgebäude anbauen?
Rechtlich gesehen handelt es sich bei den angrenzenden Häuserwänden um eine Nachbarwand im Sinne des Berliner Nachbarrechtsgesetzes. Im § 4 des Berliner Nachbarrechtsgesetzes ist die Nachbarwand definiert als
eine auf der Grenze zweier Grundstücke errichtete Wand, die den auf diesen Grundstücken errichteten oder zu errichtenden Bauwerken als Abschlusswand oder zur Unterstützung oder Aussteifung zu dienen bestimmt ist.
Der Eigentümer der Baulücke, meist ein Bauträger oder anderer Investor, ist im Rahmen der Eigentümerbefugnis gemäß § 903 BGB zunächst berechtigt, an die Nachbarwand anzubauen. Dies regelt § 6 des Berliner Nachbarrechtsgesetzes. Hierbei wird definiert, dass der Anbau eine Mitbenutzung der Wand als Abschlusswand oder zur Unterstützung oder Aussteifung des neuen Bauwerks dienen kann.
Was muss ich als Bauträger oder Investor beim Anbau an die Nachbarwand beachten?
Mit der Planung des Lückenbaus wird den modernen Wohnbedürfnissen Rechnung getragen. Hierzu zählen vor allem auch ausreichend bemaßte Keller und Tiefgaragen. Die Nachbargebäude im Altbaubestand weisen oft nicht die Fundamenttiefen aus, die bei der Errichtung des Lückenbaus vorgesehen sind. Das Projekt muss deshalb nicht aufgegeben werden. Abhilfe kann § 6 Abs. 2 des Berliner Nachbarrechtsgesetzes schaffen. Demnach darf die Nachbarwand (des Bestandsgebäudes) Unterfangen werden oder der Boden im Bereich der Gründung der Nachbarwand verfestigt werden.
Als drei Voraussetzungen nennt das Gesetz
- die Unumgänglichkeit der Unterfangung oder Verfestigung nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik
- die Erwartung von nur geringfügigen Beeinträchtigungen des Nachbargebäudes
- die Zulässigkeit des Bauvorhabens nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften
Die Tücke steckt hier aber im Detail.
Was ist eine Unterfangung einer Nachbarwand?
Eine Unterfangung der Nachbarwand kann zum Beispiel im Wege des Hochdruckinjektionsverfahrens (HDI) erfolgen. Das Hochdruckinjektionsverfahren ist ein Spezialtiefbauverfahren, dass der Baugrundverbesserung unterhalb der bereits bestehenden Nachbarwand dient.
Das Hochdruckinjektionsverfahren (HDI) kann in verschiedenen Verfahrensgängen ausgeführt werden. Der Kern des Verfahrens besteht und links darin, dass Flüssigkeit bzw. eine Zementsuspension mittels Düsenstrahl in den Boden gepresst wird, um eine Bodenverbesserung zu erreichen.
Wie kann ich als Bauträger die Tatbestandsvoraussetzungen (geringfügige Beeinträchtigung) nachweisen?
Hier empfiehlt sich auf jeden Fall die Einholung eines Sachverständigengutachtens vor dem Baubeginn. Der Sachbeständige sollte des Nachbargebäude in Augenschein nehmen. Hier ist die Kooperation mit dem Nachbar gefragt. Durch das Sachverständigengutachten soll ein zum Einen ein „vorher-nachher„ Vergleich möglich sein. Zum anderen kann nur ein Sachverständiger verlässliche Aussagen darüber treffen, ob die Anwendung eines Unterfangungsverfahrens das Bestandsgebäude mehr als zumutbar beeinträchtigen wird.
Muss ich das Bauvorhaben gegenüber dem Nachbarn anzeigen? Welche Frist gilt hierfür?
Auch hier enthält das Berliner Nachbarrechtsgesetz eine eindeutige Regelung, die in der Praxis allerdings nicht immer Berücksichtigung findet. Der Bauträger und Investor der Baulücke hat eine Anzeigepflicht gegenüber dem Grundstücksnachbarn. Hierbei sind dem Eigentümer des Nachbargrundstücks gegebenenfalls auch „nur" dem unmittelbaren Besitzer die Einzelheiten des geplanten Anbaus mitzuteilen. Die Anzeige hat schriftlich zu erfolgen. Es ist eine Frist von zwei Monaten einzuhalten. Die Bauarbeiten dürfen nicht vor Ablauf dieser Frist begonnen werden.
Welche Rechte hat der Nachbar?
Der Nachbar des Bestandsgebäudes kann nach Eingang der Mitteilung durch den Bauträger/Investor prüfen, ob die Angaben zum geplanten Anbau an die Nachbarwand ausreichend sind, um sich ein eigens Bild von den Voraussetzungen gemäß § 6 Berliner Nachbarrechtsgesetz -Anbau an die Nachbarwand-zu machen. Hierbei sollte der Nachbar stets auch darauf achten, dass der Bauträger/Investor ausreichende Informationen über geplante Unterfangungsmaßnahmen des Bestandsgebäudes gibt. Ferner sollte der Nachbar darauf bedacht sein, das Tatbestandsmerkmal der zu erwartenden geringfügigen Beeinträchtigung seines Gebäudes näher zu beleuchten.
Beginnen die Bauarbeiten zum Beispiel ohne eine vorherige Anzeigepflicht, so sind die Ansprüche des Nachbarn auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Bauträger/Investor zu prüfen, der unter Verletzung der Anzeigepflicht den Nachbar gegebenenfalls vor vollendete Tatsachen stellen will.
Außerdem hat der Nachbar Vergütungsansprüche im Fall des Anbaus an die Nachbarwand unter den Voraussetzungen von § 8 des Berliner Nachbarrechtsgesetzes. Die weitere Betrachtung dieser Vorschrift soll an dieser Stelle nicht verfolgen.
Kann ich als Eigentümer des Nachbargrundstücks Schadenersatz verlangen?
Der Eigentümer des Nachbargrundstücks hat gemäß § 13 Berliner Nachbarrechtsgesetz einen Anspruch auf Schadenersatz, wenn der Bauträger/Investor in Ausübung der Rechte nach § 6 Abs. 2 (Anbau an die Nachbarwand) oder auch nach § 12 (Erhöhen und Verstärken der Nachbarwand) entstehen. Die Schadenersatzpflicht tritt verschuldensunabhängig ein. Dies ist für die anwaltliche Beratung besonders wichtig. Außerdem kann der Nachbar auf sein Verlangen hin vom Bauträger/Investor Sicherheit in Höhe der voraussichtlich in Schadens verlangen.
Muss der Nachbar das Überschwenken eines Baukrans dulden?
Von Bauprojekten im innerstädtischen Bereich ist ohne den Einsatz von Baukränen praktisch undenkbar. Unter Berücksichtigung von § 905 BGB könnte der Grundstücksnachbar, über dessen Grundstück der Kranausleger schwenkt, einen Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 BGB geltend machen. Bei der Prüfung dieser Frage kommt es zunächst darauf an, in welcher Höhe der Kranausleger über das Grundstück geführt wird. Gegebenenfalls ist auch zu prüfen, der Kranausleger lediglich in der Ruheposition das Grundstück streift, oder ob mit dem Kranausleger auch Lasten über das Grundstück des Nachbarn geführt werden.
Der Nachbar wird jedoch nur im Einzelfall ein Überschwenken über das Grundstück erschweren oder verhindern können.
Die Benutzung eines Baukrans wird rechtlich auch in Analogie zum Hammerschlags-und Leiterrecht, das in Berlin in § 17 des Berliner Nachbarrechtsgesetzes geregelt ist, gesehen. Demnach besteht eine Duldungspflicht des Nachbarn hinsichtlich des Überschwenkens durch einen Baukran.
Der Bauträger/Investor hat jedoch dem Nachbarn für die Zeit der Benutzung eine Nutzungsentschädigung in Höhe der ortsüblichen Miete zu zahlen und die Benutzung des Grundstücks durch das Überschwenken innerhalb der Frist von zwei Monaten anzuzeigen.
Versäumt der Bauträger/Investor diese Frist, stehen dem Nachbarn wiederum Unterlassungsansprüche zu.
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Die nachbarrechtliche Vereinbarung
Bauträger/Investoren von Baulückenbebauten sollten mit ihren Grundstücksnachbarn zeitnah und vor Baubeginn eine nachbarrechtliche Vereinbarung abschließen, um eine ungestörten Bauablauf abzusichern. In dieser Vereinbarung sollten selbstverständlich auch die nachbarrechtlichen Interessen berücksichtigt werden. Dies betrifft insbesondere die äußerst verständliche Sorge des Eigentümers eines Bestandsgebäudes, das durch den Baulückenbau das Bestandsgebäude beschädigt wird und dass es insbesondere zu Rissbildungen kommt. Hier ist dafür Sorge zu tragen, dass eine angemessene Absicherung für Schäden, die durch die Baumaßnahme auftreten können, gefunden wird. Das Auftreten von Setzungsrissen bei Lückenbauten kommt häufig vor. Eine ordnungsgemäße Beweissicherung ist hierfür Voraussetzung. Andererseits muss der Grundstücksnachbar auch im innerstädtischen Bereich die Einschränkung seines Eigentums dahingehend dulden, so dass der Bauträger/Investor die Durchführung seiner Projekts realisieren kann.
Als spezialisierte Rechtsanwälte im Bereich des Bau- und Immobilienrechts sind wir Ihnen beim Abschluss einer nachbarrechtlichen Vereinbarung oder bei der Geltendmachung von Ansprüchen nach dem Berliner Nachbarrechtsgesetz gern behilflich.
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